Die begleitende Vorlesung zum Liebig-Laboratorium soll die notwendigen theoretischen Grundlagen vermitteln, die die Teilnehmer des Kurses in die Lage versetzen, alle im Programm vorgesehenen Laborarbeiten sicher und mit Sachkenntnis durchführen zu können. Der Hauptschwerpunkt liegt dabei auf der Vermittlung von Fähigkeiten und Fertigkeiten bei der Analyse von Wasserproben (Kalkkreislauf), polyfunktioneller Moleküle wie z.B. Aminosäuren (Säure-Base-Verhalten und Funktion als Chelatligand) sowie Redoxvorgängen (Bleich- und Desinfektionswirkung von starken Oxidationsmitteln wie Peroxiden). Auch hier bildet die Vermittlung wichtíger Grundkenntnisse bei der chemischen Maßanalyse einen Schwerpunkt.
Die begleitende Vorlesung zum Liebig-Laboratorium wird von Herrn PD Dr. Böttcher in der Zeit vom 7. bis 17. November 2011 (wie im Stundenplan ausgewiesen) gehalten. Die Abschlussklausur zum Liebig-Laboratorium findet am 1. Februar 2012 von 13.00 bis 14.30 Uhr im Liebig- und im Buchner-Hörsaal statt. Für das Schreiben der Klausur ist es notwendig, dass Sie einen (nichtprogrammierbaren) Taschenrechner mitbringen. Alle anderen Materialien werden Ihnen zur Verfügung gestellt.
Als begleitendes Lehrbuch empfehlen wir Ihnen das Werk C. E. Mortimer, U. Müller: Chemie. 9. Auflage, Thieme 2007, ISBN 978-3-13-484309-5. Der „Mortimer“ steht Ihnen auch innerhalb des Münchner Hochschulnetzes elektronisch zur Verfügung: „E-Book“
Die Seitenangaben in diesem Skript beziehen sich eben auf diese Ausgabe.
Die Lernziele dieser Lehreinheit umfassen folgende Schwerpunkte: Wir besprechen die Umstände, die zur sogenannten Wasserhärte führen und lernen kennen, wie die Hauptbestandteile der Härtebildner (Calcium- und Magnesium-Ionen) in ein Grundwasser gelangen. Als Standardmethode der klassischen Wasseranalyse wird die komplexometrische Titration abgehandelt. Weiterhin wird der Begriff der Wasserhärte definiert, die sich aus den Bestandteilen "Carbonathärte" (CH, temporäre Härte) und der "Nicht-Carbonathärte" (NCH, permanente Härte, u.a. auch "Sulfathärte") zusammensetzt. Sie lernen kennen, wie die Gesamthärte eines Brauch- oder Trinkwassers bestimmt werden kann. Eine wichtige Kenngröße stellt dabei die Gesamtalkalität des Wassers dar, die im Prinzip durch eine Säure-Base-Titration bestimmbar ist.
Literatur: Mortimer (2007) S. 486-490, S. 293-317, S. 505-512.
Die Wasserhärte wir hauptsächlich durch den Gehalt an Calcium- und Magnesium-Ionen in einem Wasser verursacht. Aus Gesteinsmaterialien in Gebirgen (z.B. „Dolomit“, Mischverbindung gleicher Anteile von Calcium- und Magnesiumcarbonat) werden durch Regenwasser Calcium- bzw. Magnesium-Ionen herausgelöst. Dieser Löseprozess basiert zunächst auf der eigentlichen Löslichkeit dieser Verbindungen in Wasser (Löslichkeitsprodukt). Die Löslichkeit wird allerdings verbessert, da das Regenwasser saure Anteile aufweist ("Kohlensäure"), die einerseits auf dem natürlichen Gehalt an Kohlendioxid in der Luft, aber auch durch einen erhöhten Grad an Umweltverschmutzung (u.a. auch Schwefeldioxid o.ä. saure Gase) beruhen. Eine geeignete Methode, um Metall-Ionen in Wässern nachzuweisen, stellt die Komplexometrie dar.
In diesem Kapitel lernen Sie das Grundprinzip der Methode kennen. Es handelt sich dabei um eine volumetrische Bestimmung, wobei im Prinzip eine Bildung sehr stabiler Chelatkomplexe ausgenutzt wird. Der Titrator hierbei ist ein sechszähniger Chelatligand: Ethylendiamintetraessigsäure. Ein großer Vorteil der Methode ist, dass sich stets 1:1-Komplexe bilden, d.h., das zu bestimmende Metall-Ion und der Ligand reagieren stets im molaren Verhältnis von 1:1. Der Grundkörper des verwendeten Liganden leitet sich vom Ethylendiamin (1.2-Diaminoethan) ab, indem die vier H-Atome jeweils durch einen Essigsäurerest substituiert sind. Als Maßlösung wird in der Praxis häufig "Titriplex III" verwendet, das Dinatriumsalz der Ethylendiamintetraessigsäure. Die Indikation des Äquivalenzpunktes erfolgt mit sogenannten Metall-Indikatoren. Im Prinzip stellen sie organische Farbstoffe dar, die befähigt sind, mit dem zu bestimmenden Metall-Ion einen (stabilen) Komplex zu bilden. Bei dieser Komplexbildung verliert der Indikatorfarbstoff seine Eigenfarbe. Die Ionen des zu bestimmenden Metalls bilden allerdings wesentlich stabilere Komplexe mit edta, somit erfolgt am Äquivalenzpunkt der Titration eine Verdrängungsreaktion des Indikators aus dem Komplex, so dass der Indikator seine Funktion als Ligand verliert und in der ursprünglichen Form in die Lösung freigesetzt wird. Dabei nimmt er seine Eigenfarbe wieder an und es kommt zu eiem spezifischen Farbwechsel. Zwei wichtige Dinge sind bei komplexometrischen Titrationen zu beachten: da bei der Komplexbildung aus dem Titrator Protonen freiwerden, wird die Lösung im Prinzip "saurer". Das kann Probleme bereiten, da viele Komplexe nur in bestimmten pH-Wert-Bereichen stabil sind. Insofern ist häufig eine Pufferung der Lösung unbedingt notwendig. Ebenso benötigen auch die Metallindikatoren betimmte pH-Bereiche, in denen der spezifische Farbumschlag erfolgt. In der Praxis werden zweckmäßigerweise Indikatorpuffertabletten verwendet, d.h. es handelt sich hierbei um die Pufferkomponenten in Kombination mit einer Indikatorfarbstoffverreibung. Dennoch sollten Sie sich nicht nur "blind" auf die Puffertablette verlassen, sondern während der Titration stets den pH-Wert regelmäßig überprüfen!
Häufig wird die direkte Titration angewendet, die Lösung des Metall-Ions wird also direkt mit der Titriplex-III-Lösung gegen einen Metall-Indikator titriert. In diesem Zusammenhang ist die Calcium-Bestimmung (v 1.5) zu erwähnen. Weiterhin lernen Sie die Methode der Rücktitration kennen (z.B. Bestimmung von Al); sie basiert auf der geringeren Stabilität der Mg- bzw. Zn-Komplexe (mit edta) im Vergleich zu vielen anderen Kationen. Das Prinzip der Rücktitration ist folgendes: ein bekanntes Volumen an Titriplex III wird im Überschuss zu Analysenprobe gegeben. Dabei wird die gesamte Menge an zu bestimmendem Kation gebunden. Anschließend wird der Rest der nicht verbrauchten Maßlösung mit z.B. Magnesiumsulfat (oder Zinksulfat)- Maßlösung "zurücktitriert". Die Methode basiert auf der unterschiedlichen Komplexstabilität: lgβ(Al-Komplex) = 16.70 vs. lgß(Mg-Komplex) = 8.69. Würde dieser gravierende Unterschied nicht bestehn, würde eine Verdrängungreaktion des Aluminums aus seinem edta-Komplex erfolgen.
Um bei komplexometrischen Titrationen genaue Analysenergebnisse zu erzielen, ist es unbedingt erforderlich, dass Sie extrem saubere Glasgeräte verwenden. Sie sollten dazu alle Glasgeräte mit Spülmittel und Bürste gut reinigen und danach mit viel entionisiertem (!) Wasser mehrmals spülen. Ein Spülen nur mit Leitungswasser würde Ihnen beträchtliche Mengen an Fremdionen (eben Ca und Mg!) in die Gefäße schleppen.
Zu Beginn der Titration wird ein geeigneter Metall-Indikatorfarbstoff zugesetzt (z.B. Eriochromschwarz T oder Xylenolorange). Dabei bildet dieser mit dem zu bestimmenden Kation einen (stabilen) Komplex, wobei sich auch die Eigenfarbe des Indikators ändert. Am Äquivalenzpunkt erfolgt schließlich eine Verdrängungsreaktion des Indikatorfarbstoffs aus dem anfänglich gebildeten M-Indikator-Komplex, da der Komplex des zu bestimmenden Metall-Ions eine höhere Komplexstabilität aufweist (Konkurrenzreaktion um das Zentralatom). Beim Freisetzen des Indikatorfarbstoffs wird seine Eigenfarbe wieder sichtbar (Äquivalenzpunkt).
Allgemeines: Sie arbeiten streng nach der Vorschrift des Praktikumsskriptes; kontrollieren Sie dabei den pH-Wert zu Beginn und regelmäßig während der Titration! Arbeiten Sie in sehr sauberen Glasgefäßen! Ausgangspunkt für die Berechnung des Calciumgehaltes in der Probe bildet - wie schon angemerkt - die Bildung von 1:1-Komplexen, insofern gilt z.B. für die Berechnung: 1 mL 0.1 m Titriplex-III-Lösung = 4,008 mg Ca. Für andere Metall-Ionen (z.B. Fe) würde analog gelten: 0.1 m Titriplex III-Lösung = 5.585 mg Fe (bzw. bei Verwendung einer 0.01 m-Maßlösung entsprechend 0.5585 mg Fe, wobei die Verwendung von 0.01 m-Maßlösungen prinzipiell genauer ist!).
Woher stammen die Ca- bzw. Mg-Ionen in einem Grund- oder Brauchwasser? Wie oben erwähnt werden z.B. aus dem Gesteinsmineral Dolomit Ca- und Mg-Ionen (in Form ihrer Carbonate gebunden) durch Niederschlagswasser herausgelöst. Zum einen ist die Löslichkeit dieser Salze in Wasser dafür verantwortlich: L(Magnesiumcarbonat) = 2,6 × 10−5; L(Calciumcarbonat) = 4,7 × 10−9 mol/L. Die Löslichkeit wird durch den "sauren" Regen (erhöhter Kohlendioxid- oder Schwefeldioxid-Gehalt in der Luftatmosphäre) verbessert, da sich generell die Carbonate aller Metallionen des PSE schon in verdünnten Mineralsäuren (auch schwache Säuren!) lösen. Der Gehalt an Calciumhydrogencarbonat bestimmt die sogenannte "Carbonathärte" (CH, temporäre Härte; wird beim Erhitzen stark reduziert, z.B. durch Kesselsteinbildung, d.h. es fällt beim Aufkochen des Wassers ein beträchtlicher Teil an Calciumcarbonat aus. Der Gehalt an anderen Salzen (außer Carbonate und Hydrogencarbonate) im Wasser, wie z.B. Sulfate oder Chloride, gehen beim Erhitzen des Wassers keine Reaktion ein (keine Ausfällung schwerlöslicher Salze!). Insofern handelt es sich hierbei um der sogenannten Teil der permanenten (bleibenden) Härte, oder wir sprechen vom Anteil der Nichtcarbonathärte (NCH). Ein völlig entsalztes Wasser wird beispielsweise durch Ionenaustauschprozesse erhalten. Auf diese Prozesse wird nur kurz verwiesen (s. auch im alten Skript zur Vorlesung: Ionenaustauschprozesse). Durch Abkochen von Wasser wird also stets nur ein teilentsalztes Wasser erhalten, wenn das ausgefallene Calciumcarbonat durch Fitration entfernt wird. Die Gesamthärt eines Wassers setzt sich also als Summe von CH + NCH zusammen. Definitionsgemäß wird die Wasserhärte in sog. Härtegraden angegeben und bezieht sich nur auf den Gehalt der im Wasser gelösten Calcium-Ionen. Beachten Sie aber, dass dabei ein Teil davon auch in Form von Magnesium-Ionen vorliegt. Durch eine spezielle komplexometrische Trennung (Simultanbestimmung von Ca neben Mg) kann der Gehalt an Ca bzw. Mg genau bestimmt werden. Diese Bestimmung führen Sie aber im Praktikum nicht aus! Die Wasserhärte wird in °dH ("Grad deutscher Härte") angegeben: 1 °dH = 10 mg CaO/L, für Ca bedeutet 1 °dH = 7.15 mg Ca/L, für Mg bedeutet 1 °dH = 4.34 mg Mg/L. Beispielsweise enthält ein Mineralwasser (Gerolsteiner) im Durchschnitt 348 mg Ca/L und 108 mg Mg/L. Für beide Ionen würde das in der Summe einem Härtegrad von 73.55 °dH entsprechen. Für den Versuch 1.6 (Bestimmung der Gesamthärte eines gegebenen Wassers) stellen Sie sich zunächst eine 0.01 m Titriplex-III-Lösung her (durch Verdünnen einer käuflichen Maßlösung, 0.1 m) und bestimmen den Faktor dieser Maßlösung. Als Urtiter dient exakt getrocknetes und genau eingewogenes Calciumcarbonat, das durch Lösen in Salzsäure Ihnen eine Urtiterlösung liefert, die zur Einstellung der edta-Maßlösung dient. Mit dieser eingestellten Maßlösung bestimmen Sie dann gemäß der Vorschrift für V 1.7 den Gehalt an Ca (in der Summme ist Mg enthalten) und rechnen in den entsprechenden Härtegrad um.
Unter der Gesamtalkalität eines Wassers versteht man alle Bestandteile eines Wassers, die oberhalb des Umschlagpunktes von Methylorange (pH 3,1–4.4) zugesetzte Säure binden (Säure-Base-Titration mit einer 0,1 m Salzsäure-Maßlösung). Exakter als die Angabe der sogenannten Carbonathärte ist eben die Bestimmung der Alkalität (entspricht dem Säureverbrauch).