Munich, Mar 23, 2011
Ein Gen kodiert für ein Protein: Dieses biologische Dogma gilt schon lange nicht mehr. Das Alternative Spleißen etwa erlaubt der Zelle, auf Grundlage eines einzelnen Gens mehrere Proteine mit ganz unterschiedlichen – manchmal sogar gegensätzlichen – Funktionen zu produzieren. Beim Menschen werden etwa 90 Prozent der Gene auf diese Weise mehrfach genutzt. Ein Beispiel der dabei entstehenden Proteine sind Moleküle, die das Gefäßwachstum je nach Variante aktivieren oder inhibieren. Diese hohe Variabilität spielt auch bei der Kontrolle der Blutgerinnung und des Blutzuckerspiegels eine große Rolle. Störungen des Alternativen Spleißens können damit zu Krebs und anderen Erkrankungen führen.
Die Regulation des Prozesses erfolgt in einem fein abgestimmten Zusammenspiel einer Vielzahl von Proteinen und Hilfsfaktoren. Die sogenannten Serin/Arginin-reichen (SR) Proteine etwa steuern die Auswahl der zu verarbeitenden RNA. CLK- und andere Kinasen modifizieren die Serin-Reste dieser Proteine, wodurch die Aktivität wie auch die zelluläre Lokalisation der SR-Proteine reguliert werden. Brachers Arbeitsgruppe konnte mit KH CB19 nun einen hochspezifischen und potenten Inhibitor bestimmter Varianten der CLK-Kinasen entwickeln.
Untersuchungen in Kooperation mit Knapps Team in Oxford zeigten dann, dass die außergewöhnliche Selektivität des Moleküls auf seiner einzigartigen chemischen Struktur beruht. In zellulären Experimenten in der Arbeitsgruppe von Professor Ursula Rauch am Zentrum für Herz- und Kreislaufmedizin der Charité in Berlin gelang der Nachweis, dass KH CB19 unter entzündlichen Bedingungen zu einer veränderten Produktion zweier molekularer Faktoren führt, die beim Menschen die Blutgerinnung beeinflussen.
„Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass wir ein exzellentes chemisches Werkzeug zur weiteren Erforschung des Alternativen Spleißens gefunden haben“, so Bracher. „Dank seiner außergewöhnlichen Selektivität und Potenz ist das Molekül aber auch therapeutisch sehr interessant: Tatsächlich legen aktuelle Ergebnisse aus der Infektionsbiologie nahe, dass CLK-Inhibitoren wie KH-CB19 etwa bei der Behandlung von Grippeinfektionen neue therapeutische Optionen eröffnen könnten. Erste Studien dazu sind bereits im Gange. Insgesamt könnte sich der neue Inhibitor als Leitstruktur bei der Entwicklung neuer Arzneistoffe etablieren.“ (göd)
Publikation:
„Specific CLK Inhibitors from a Novel Chemotype for Regulation of Alternative Splicing“;
Oleg Fedorov, Kilian Huber, Andreas Eisenreich, Panagis Filippakopoulos, Oliver King, Alex N. Bullock, Damian Szklarczyk, Lars J. Jensen, Doriano Fabbro, Jörg Trappe, Ursula Rauch, Franz Bracher, Stefan Knapp;
Chemistry & Biology 2011, 18, S. 67-76;
DOI: http://dx.doi.org/10.1016/j.chembiol.2010.11.009
PubMed ID: 21276940